Da plätschert im Nordwesten Mecklenburgs ein Bach durch die Landschaft, der den Schweriner See mit der Ostsee verbindet.
21 km legt er dabei zurück, überwindet 37,8 Höhenmeter und hat ein direktes Einzugsgebiet von knapp 160 km².
In unseren Landkarten wird er als Wallensteingraben bezeichnet. Aber warum?

Hat etwa der Feldherr Ernst Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, genannt Wallenstein, seine Pferde hier tränken lassen, hat er in dem Bach gebadet oder ihn gar mit Booten befahren? Keineswegs, hier muss wohl der Volksmund ein Wörtchen mit geredet haben.

Der Wallensteingraben ist ein Verbindungsgraben zwischen dem Schweriner See und der Ostsee in Wismar.
Das heute so bezeichnete Fließgewässer setzt sich aus dem künstlich erschaffenen Abfluss des Schweriner Sees und dem weitgehend ursprünglichen Verlauf des einst Stivine ( je nach Quelle auch: Steffine oder Stevina) genannten Baches zusammen. Ein im 16. Jh. erbauter Kanal, der den Bachlauf über weite Teile abkürzte, verfiel bereits wenige Jahre nach seinem Bau wieder.


Der Wallensteingraben beginnt am Nordufer des Schweriner Sees. Die 1,5 Kilometer lange Verbindung zum nördlich gelegenen Lostener See ist künstlich durch einen Durchstich eines Endmoränenrückens, der dort die Nordsee - Ostsee - Wasserscheide markiert, entstanden.
Auf dem Weg zum Lostener See werden die Bahnstrecke Bad Kleinen – Rostock und die Landesstraße 31 unterquert.
Weiter in nördlicher Fließrichtung verläuft der Graben wechselseitig entlang der Bahnstrecke Bad Kleinen – Wismar. Dabei ist der Lauf oberhalb von Moidentin, einem Ortsteil von Dorf Mecklenburg, recht windungsreich. Dort mündet linksseitig die Rummelbeck ein. Südlich von Dorf Mecklenburg wendet sich der Flusslauf von der Bahnstrecke in nordwestlicher Richtung ab.
In Dorf Mecklenburg überquert die Bundesstraße 106 den Wallensteingraben. Weiter nördlich führt das Gewässer an Karow vorbei, unterquert die Bundesautobahn 20 und kurz vor Wismar noch einmal die B 106. In jetzt östlicher Fließrichtung verläuft der Graben im Naturschutzgebiet Teichgebiet Wismar-Kluß entlang mehrerer Teiche, unter ihnen der Viereggenhöfer Teich und der Fischteich bei Kluß. Hier wird noch einmal die Bahnstrecke zwischen Bad Kleinen und Wismar unterquert.
Nach einer Richtungsänderung nach Norden wird der Wallensteingraben im Mühlenteich aufgestaut; er verlässt diesen an seinem Nordufer. In geringer Entfernung wird die Mündung in einem Wismarer Hafenbecken erreicht.

Der natürliche Lauf der Stivine diente zum Betrieb von etwa 14 Mühlen, zum Teil existierten diese bereits 1250 und weitere durch Wasserkraft betriebene Hämmer.
Diese Nutzung durch Mühlen hielt bis zum Anfang des 20. Jh. an.
Vom Betrieb einer Wassermühle zeugt  noch heute der Mühlenteich in Wismar.
Funktionsfähige Wassermühlen sind nicht mehr erhalten.

Geschichtlich spielt der Wallensteingraben auch für die Versorgung der Bevölkerung eine Rolle. Entlang des Bachlaufs waren diverse Fischer ansässig. Auch diente er der Entwässerung angrenzender landwirtschaftlicher Nutzflächen.

Zeitweise diente der Mühlenteich der Trinkwasserversorgung Wismars. Als bei der Belagerung Wismars 1675 die Wasserleitungen aus Quellen bei Metelsdorf gekappt wurden, erwies sich der Bezug von Wasser aus nur einer Region als nachteilig. Deshalb wurde 1685 zusätzlich Wasser aus dem Mühlenteich in einen ehemaligen Wehrturm, der Bestandteil der Stadtbefestigungsanlagen war und heute Alter Wasserturm genannt wird, gefördert und von dort weitergeleitet.


Das Kreisagrarmuseum in Dorf Mecklenburg zeigt in einem translozierten Fachwerkhaus eine ständige Ausstellung zum Wallensteingraben und bietet weiterführende Informationen.  

Von den Kanalanlagen selbst sind gegenwärtig nur einige Durchstiche, einige Anlagen zur Wasserstandsregulierung und zum Fischfang erkennbar geblieben. Auf einen Teil der Kanalstrecke verläuft heue die Bahnstrecke zwischen Bad Kleinen und Wismar. Bei Hohen Viecheln bestand jahrelang eine Furt, bei der die wichtige Ost-West-Straße den Wasserlauf durchquerte. Heute kann man ihn über eine Brücke passieren. An den Ufern des abfließenden Wassers vom Schweriner See entstanden in Richtung Wismar in der Vergangenheit zahlreiche Wassermühlen und andere Werke. Geblieben sind aber vor allem zahlreiche Wanderwege am Wallensteingraben, welche den Wanderer immer wieder die Schönheit des Landschafts- und Naturschutzgebietes hinweisen.

Einige Empfehlungen:
 
Schwerin (Schloss, Museum, Schleifmühle)
Schloß Wiligrad
Fischer Prignitz in Hohen Viecheln
Tourismusverein Schweriner Seenland
Moidentiner Waldfriedhof
Agrarmuseum in Dorf Mecklenburg
Mecklenburger Mühle (Restaurant und Hotel),
Burgwall in Dorf Mecklenburg
Wismar ( Historischer Stadtkern mit Wasserkunst, Kirchen, Alter Hafen


Der Moidentiner Waldfriedhof

Friedhöfe, wo immer auf dieser  Erde, künden von der Endlichkeit menschlichen Lebens.
Ob Hünengrab oder Heldenfriedhof, ob Urnenhain oder ägyptische Pyramide, jüdische Begräbnisstätte, kirchliche Gruft, städtischer Friedhof oder dörlicher Gottesacker – sie alle sind ein Stück Kultur und ein Hinweis auf den vielschichtigen Verlauf der Menschheitsentwicklung.


Der „Moidentiner Waldfriedhof“ nahe des Moidentiner Bahnhofs, im Landschaftsschutzgebiet „Wallensteingraben“ gelegen, entstand aus einer besonderen Not heraus.
Als im Herbst 1945 die großen Fluchten und Vertreibungen aus dem Raum östlich von Oder und Neiße begannen und hunderttausende Menschen als Flüchtlinge oder Umsiedler auch nach Mecklenburg kamen, wurden auf Befehl der sowjetischen Militäradministration im Kreis Wismar drei sogenannte „Quarantänelager“ eingerichtet.
Für eine zehn- bis vierzehntägige Quarantänefrist wurden hier jene Menschen untergebracht, die ein Inferno aus Bombenangriffen, Überfällen und Erniedrigungen, den Verlust ihrer Heimat, ihrer Familienangehörigen und ihres persönlichen Eigentums haben erleiden müssen und oft nicht mehr gerettet hatten als das nackte Leben.
Das Quarantänelager nahm vielen auch den letzten Rest an Lebenswillen. In zum Teil ungeheizten Blockhäusern untergebracht, hausten sie in qualvoller Enge auf Pritschen, denen oft sogar die Strohschütte fehlte.
Ein Minimum an Verpflegung, früh einsetzende Kälte, kaum Möglichkeiten zur Körper- und Wäschepflege( für 116 solcher Baracken existierten nur drei Wasserstellen) und als „Donnerbalken“ bekannte Latrinen zur Verrichtung der Notdurft waren die harten äußeren Bedingungen.

So starben Männer, Frauen und Kinder oft bereits wenige Tage nach der Ankunft und zu den Nöten der Lebenden kam noch ein Problem: Wohin mit den Toten?

Die Lösung fand der ortskundige Lagerleiter in einer vom Lager etwa zweieinhalb Kilometer entfernten Waldlichtung auf einer Anhöhe westlich des Wallensteingrabens. Und so wurden am 30.Oktober 1945 die ersten im Lager Verstorbenen – zwei Frauen und ein Kind – an jener Stelle beigesetzt, an der sich bis heute der „ Moidentiner Waldfriedhof“ befindet.

Unmittelbar an der alten „Viechelner Landstraße“ gelegen (die einst ein Handelsweg gewesen sein soll) und in der Nähe eines steilen Hohlweges, der vom Wallensteingraben aus (Brücke und Weg nach Losten, Fichtenhusen, Brusenbeker Mühle) heraufführt, sind hier etwa 280 Menschen zur letzten Ruhe gebettet worden.